Alle Jahre wieder kommt Weihnachten und alle Jahre wieder werden in sämtlichen Gazetten die Texte zum Thema „Stressige Adventszeit und fürchterliche Festtage“ erfolgreich recycelt. Ach herrje! Wie schrecklich das alles! Ich möchte an dieser Stelle offiziell vermelden: Ich habe keinen Stress. Den haben vielleicht junge Familien, aber das ist doch in weiten Teilen schöner Stress, so ein Fest für Kinder zu inszenieren. Für alle anderen gilt doch: Der Besuch von Weihnachtsmärkten ist immer noch eine freiwillige Angelegenheit. Plätzchen können sehr gut käuflich erworben werden. Dekorieren kann man üppig – dann hat man wahrscheinlich auch große Freude daran – oder man wirft kurz vor den Feiertagen einfach eine Lichterkette über irgendwas und fertig. Oder eben auch nicht. Geschenke unter Erwachsenen kann man kurzerhand abschaffen. Man kann aufwendig kochen – dann hat man (siehe oben) auch wahrscheinlich große Freude daran – oder es gibt Kartoffelsalat mit Würstchen, Fondue oder Raclette, bei denen mir nicht einleuchtet, wie man in diesem Zusammenhang über einen wie auch immer gearteten Aufwand jammern könnte. In Zeiten von Kühlschrank und Gefriertruhe muss man sich nicht theatralisch in die Einkaufsschlacht stürzen, wenn man nicht möchte. Tradierte Abläufe lassen sich ändern, indem man jedes Jahr neu verabredet, wo und mit wem gefeiert wird. Und man stelle sich vor, den allermeisten Menschen gelingt das auch, ganz ohne kluge Ratschläge von hilfsbereiten Journalisten und Coaches. Streit gibt es natürlich immer mal, aber das macht doch nichts. Ganz und gar rätselhaft finde ich die unfassbare Anzahl rechtsradikaler entfernter Verwandter, die in der Vorstellung der Journaille zuverlässig jedes Jahr in den Wohnzimmern, in die sie sich anscheinend selbst eingeladen haben, unter dem Baum hocken, ihre Parolen zum besten geben und damit jegliche Feststimmung ruinieren. Wo kommen die zu Weihnachten plötzlich alle her? Oder sind sie eher ein Phantasieprodukt und der als stramm konservativ bekannte Onkel Klaus will an Weihnachten auch nur lecker essen und trinken und dazu ein Liedchen singen? Und freut sich sehr, dass man ihn dabei haben will?