?> Die alte weisse Frau und die Rückschlüsse – Die alte weisse Frau
23. August 2023

Die alte weisse Frau und die Rückschlüsse

Als Kind las ich eine Buchreihe des Genres „Backfischroman“, in dem es nicht etwa um frittierte Köstlichkeiten ging, sondern um ein heranwachsendes Mädchen am Anfang des letzten Jahrhunderts. Eine längere Passage drehte sich um das Staubwischen und wie man von dieser eher ermüdenden Beschäftigung auf eine anzustrebende Lebensführung schließen kann: Sorgfalt auch bei banalen Tätigkeiten, Beharrlichkeit im Tun, die frohgemute Erledigung von Arbeiten, für die man keinerlei Lob zu erwarten hat und die, nun ja, eher sinnfrei sind. Und so – wir kommen nun zur Erkenntnis – lässt sich in vielen Bereichen mühelos vom Kleinen auf das große Ganze schließen, ohne sich intellektuell allzusehr verausgaben zu müssen. Beispiel: Nordamerika hat keine Kultur, denn es gibt keine gestalteten Eintrittskarten beispielsweise für Museen, sondern nur Thermodruckpapierzettel. Eine furchtbare, aber in sich vollkommen schlüssige Folgerung. Oder: Dieses unser Land ist nicht zu retten, denn man erhält Post wie die folgende: Sie erhalten heute Ihre neue grüne Versicherungskarte. Das Deutsche Büro Grüne Karte schreibt nun vor, dass dieselbe nicht mehr grün sein darf. Aha. Gut, dass sich um diese Angelegenheit einmal jemand kümmert und man nun einen weißen Zettel bekommt, der den Vorteil besitzt, im Schadensfalle, wenn man hektisch im Handschuhfach kramt, nicht auffindbar zu sein. Und was macht überhaupt jetzt das Deutsche Büro Grüne Karte? Mutiert zum Büro Weißer Zettel? Aber ich schweife ab. Genauso – vom scheinbar belanglosen Detail auf das Gesamtbild zu schließen – verfuhr auch schon Karl Lagerfeld mit seiner Ansicht zur Jogginghose. Und was dem Karl recht ist, ist uns billig. Also: Wer seine erwachsenen Kunden ungefragt duzt, nimmt sie offensichtlich nicht für voll. Solange eine riesige Anzahl von Nagelstudios existieren kann, kann es uns so schlecht nicht gehen. Wer sich Sportarten wie Stand-up Paddling aufschwatzen lässt, ist auch ansonsten eher schlichten Gemüts. Wer nach zehnminütiger Wartezeit an der Käsetheke nicht zackig seine Wünsche äußern kann, wenn er dann schließlich drankommt, sondern mit „Äääh, ja …Moment mal“ startet, kann auch beruflich nur eine Null sein. Und so weiter und so weiter…

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