Eigentlich möchte ja jeder ein guter Mensch sein oder, fast wichtiger, als solcher angesehen werden. Daher ist es wirklich eine frohe Botschaft, wenn man konstatiert: Nie war es so einfach wie heute. Heutzutage muss man nämlich nicht wirklich anpacken und tun und machen, nein, man wirft sich stolz den Umhang des guten Mensch öffentlichkeitswirksam über die Schulter und redet. Man reckt seine Nase in den Wind des momentan wehenden Zeitgeistes und wirft sich für die gerade angesagte Randgruppe ins Zeug, indem man das nachplappert, was gerade der Mainstream auch plappert. Eine Zweitmeinung wird entweder nicht eingeholt oder mit resigniertem Kopfschütteln verworfen. Man entscheidet für Betroffene, wann sie wodurch beleidigt zu sein haben und belehrt den unaufgeklärten Teil der Gesellschaft nachsichtig, aber entschieden über seine diesbezüglichen Verfehlungen. Man nimmt gerne an bildstarken Aktionen teil, die zwar rein gar nichts bewirken, aber den guten Menschen prima in Szene setzen. Man erhebt sich moralisch über aus dem zeitgeschichtlichen Kontext gerissenen Texte und Bilder und fordert die Korrektur von Kunstwerken, weil sie dem eigenen moralischen Anspruch leider Gottes nicht genügen. Man engagiert sich gerne, vorzugsweise aber nur, wenn man gerade Zeit hat und dabei fotografiert wird. Man verwendet Begriffe wie „die Leute“, denen man als guter Mensch die Welt erklären muss und die ganz sicher danach, wenn sie aus ihrer Kindheit erzählen, verkünden, sie haben „Cowboy und indigene Gruppen“ gespielt, womit diesen gewiss in ihrem Kampf um die ihnen zustehenden Rechte enorm geholfen ist. Mir persönlich sind die plakativ guten Menschen inzwischen vollkommen gleichgültig. Einen größeren Gefallen als Empörung über sie kann man ihnen nämlich gar nicht tun.