Ach, wie gerne wäre ich ein gebildeter Mensch! Eine Weile habe ich ja gedacht, mit meinem fabelhaften Abitur an einer leistungsorientiert geführten Mädchenschule sei ich durchaus zugehörig zum Bildungsbürgertum. Aber weit gefehlt! Spätestens, als Herta Müller den Nobelpreis für Literatur erhielt und ich noch nie im Leben zuvor von ihr gehört hatte, wurde mir klar: Eher nicht. Dabei musste in unserer Schule zu Beginn jeder Deutschstunde bei der ebenso klugen wie durchsetzungsstarken Frau Nieveler (Gott habe sie selig) reihum ein Gedicht freier Wahl vorgetragen werden, von der einen Schülerin eher missmutig, von der anderen begeistert. Überproportional häufig fiel die Wahl auf „Dunkel war`s, der Mond schien helle“, aber immerhin. Um Abhilfe zu schaffen, habe ich mich mehrfach durch Dietrich Schwanitz Buch „Bildung – was man wissen muss“ gekämpft, um die größten Lücken zu schließen, aber als so richtig gelungen würde ich das Unterfangen nicht bezeichnen. Er behandelt auch die Literaturklassiker, die man gelesen haben muss. Nun ja. Gleichzeitig findet sich aber auch ein kluger Schachzug: Eins reicht! Wenn denn in illustrem Umfeld die Rede auf Literatur kommt, kann man jede Diskussion durch geschickte Gesprächsführung ganz leicht auf das eine Werk lenken, welches einem selbst wahrhaftig geläufig ist – et voilà – schon hat man wenigstens den Ruf eines gebildeten Menschen weg. Das hat mir eingeleuchtet und „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wurde angeschafft – macht sich auch ausgezeichnet im Bücherregal. Lesen kann man es eher nicht. Ich bin noch nicht einmal bis zu den weltberühmten Madeleines gelangt. Jahre später fiel mir im Haushalt meines offensichtlich gebildeteren Sohnes der „Ulysses“ in die Hände. Jetzt aber! Nach hundert Seiten war immer noch nicht wirklich irgendetwas passiert, was einer Handlung nahe kommt und als ich nachsehen wollte, wie es denn wohl ausgeht, traute ich meinen Augen nicht. Wie Sie als gebildete Leser sicherlich wissen, finden sich auf den letzten zig Seiten gar keine Sätze mehr! Ohne Punkt und Komma schwurbelt der Text vor sich hin! Das kann doch kein Mensch lesen, echt jetzt! Und auch, mich wie Commissario Brunetti auf dem Sofa liegend zur Entspannung nach einem harten Arbeitstag mit den Schriften des Marc Aurel zu befassen…ich weiß nicht. Ich fürchte, wohl ziemlich ungebildet ins Grab sinken zu müssen. Aber wenigstens kenne ich Mr. Darcy und Mr. Heathcliff. Das muss reichen.
Nächsten Mittwoch mehr.