?> Die alte weisse Frau und die Menschen im Hotel – Die alte weisse Frau
16. Oktober 2024

Die alte weisse Frau und die Menschen im Hotel

Neulich weilte ich zum wiederholten Male im gleichen sehr schönen Hotel. Das Publikum war gediegen, niemand schlurfte in Shorts und Schlappen zum fabelhaften Abendmenu und auch zum aparten kleinen Lunch auf der Terrasse warf sich ein jeder irgendein Gewand über Badehose oder Bikini. Eine lustige kleine Gruppe Italiener verließ das Hotel den ganzen Tag nicht, sondern saß an wechselnden Orten unablässig miteinander schwatzend herum, wenn sie nicht gerade wichtige Termine in der Beautyabteilung zu absolvieren hatten. Wenn ihnen der Gesprächsstoff einmal ausging, telefonierten sie mit einer offensichtlich daheim gebliebenen Mariella, die sie alle einzeln enthusiastisch begrüßten und auch verabschiedeten. Dazwischen zeigten sie ihr die wunderbare Aussicht. Zwischen Apfelstrudel und Aperitif saßen sie im Whirlpool. Drei dänische junge Frauen durchforsteten das Hotelareal nach instatauglichen Motiven, deren Für und Wider lebhaft diskutiert wurden. Fündig wurden sie im Infinitypool. Geschwommen wurde eher nicht. Zwei andere Frauen dagegen durchpflügten schon im Morgengrauen denselben Pool, in ungeheurem Tempo Meter um Meter, ach was, Kilometer zurücklegend. Ein anderer junger Mann legte sich wieder und wieder auf den Boden des Pool, bis ihm die Luft ausging. In suizidaler Absicht? Man weiß es nicht. Ich glaube nicht, seine reizende Freundin schaute dem merkwürdigen Treiben gelassen zu. Einen Moment kollektiver Schockstarre bescherte den gepflegt vor sich hin Dinierenden ein unternehmungslustiger kleiner Bursche, der die Terrassenbrüstung erklomm und dort, hoch über Pool und Liegewiese, herumturnte, bis sein leichenblasser Vater ihn erfolgreich herunter pflücken konnte. In der Sauna übte sich so mancher erfolgreiche Mittsechziger im Manspreading, aber glücklicherweise war die Sauna riesig und die eher schummrige Beleuchtung bedeckte das größte Elend mit gnädigem Dämmerlicht. Und zudem konnte man seinen Blick ja auch auf den, in seinem weißen Frotteeröckchen sehr ansehnlichen, gekonnt herumwedelnden Saunameister richten. So findet in einem richtig guten Hotel eben jeder das Seine.

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