Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber manchmal nimmt das Bedürfnis, Teil einer bestenfalls noch gefühlt elitären Gruppe sein zu wollen, sehr merkwürdige Formen an. Von der Sinnhaftigkeit, sich Eiswasser über den Kopf zu kippen oder sich mit Chips den Mund zu verbrennen will ich gar nicht erst anfangen. Mir erschließt sich auch nicht recht die Teilnahme an einem „Dry January“. Ist mein Alkoholkonsum problematisch, nutzt auch der trockene Monat nichts, wenn es im Februar munter weiter geht mit der Sauferei. Und wie wäre es in diesem Falle mit der Erstellung eines eigenen Konzeptes? Nur jeden zweiten Tag, einmal in der Woche, nur in Gesellschaft, nur ein Glas, nichts Hochprozentiges, gar kein Alkohol mehr?! Da gibt es doch viele Möglichkeiten, aber nein, man schließt sich der Idee irgendeiner Pappnase an und hashtagt. Super. An einem der nicht enden wollenden düsteren Wochenenden des Januars rennt man zu einer Demo gegen Rechts, genießt ein kostenloses Konzert und bildet sich ein, man sei Sophie Scholl. Überhaupt dieser ubiquitäre Gratismut! Da schneide ich mir vor der Kamera eine sorgfältig kuratierte Haarsträhne ab und helfe damit, genau, einfach niemandem, finde mich aber toll. Und andere finden mich auch toll. Verstehe ich nicht. Da reicht es auch nicht, schön joggen zu gehen, nein, man zwängt sich in ein quietschrosa T-Shirt mit der Aufschrift „Streckenkönigin“ auf dem Busen oder gar „Be happy. Be you“ und rennt auf Asphalt in der Stadt herum. Für einen guten Zweck natürlich. Eine Spende hätte es auch getan, aber dann hat man ja keine Fotos, ach was, Emotionsbilder (?), die man hochladen und der geneigten, vielleicht aber auch völlig desinteressierten Öffentlichkeit präsentieren kann. Da geht man nicht friedlich wandern, sondern trampelt lieber im Pulk die Waldwege platt, denn es gibt eine „Challenge“, zu der man gerne auch längere Anfahrtswege in Kauf nimmt. Ich persönlich laufe lieber mit einigen Freunden im heimischen Forst herum. Mit einer Flasche Schnaps. Vorzugsweise im Januar.